Katastrophenschutz ist gefährdet
Das Risiko, die Acht-Minuten-Frist zum Brandort nicht einzuhalten, steigt ohne freiwillige Helfer.
Beim schwersten Unwetter der vergangenen 20 Jahre sind seit Tagen 14.000 freiwillige Helfer in NRW im Einsatz. Die Grünen fürchten, dass künftig bei Unwettern, Großbränden und Hochwasser nicht mehr genug Ehrenamtliche im Katastrophenschutz zur Verfügung stehen. Noch werden 288 der 396 Kommunen ausschließlich durch Freiwillige Feuerwehren geschützt. Nach Angaben der grünen Innenpolitikerin Verena Schäffer muss aber in Kommunen "ehrlich" geprüft werden, ob nicht auch auf dem Land verstärkt hauptamtliche Feuerwehrleute eingesetzt werden müssen.
"Das letzte Unwetter zeigt die große Bedeutung des Katastrophenschutzes", sagte Schäffer im Landtag. Wenn freiwillige Helfer fehlten, wachse das Risiko, dass die meist im Brandbedarfsplan geltende Acht-Minuten-Frist bis zum Brandort nicht mehr eingehalten werden könne. Die Probleme: Geburtenrückgang, Abwanderung, 60 Prozent der Beschäftigten pendeln zur Arbeit in andere Städte und sind bei Tageseinsätzen schwer erreichbar, Arbeitgeber lehnen eine Freistellung häufiger ab. Und auch durch den Wegfall der Wehrpflicht mangelt es an Ersatzdienstlern.
In NRW sind 82.500 Menschen bei der Freiwilligen Feuerwehr aktiv, 20.000 Ehrenamtliche bei Hilfsorganisationen wie der Johanniter Unfallhilfe oder dem Deutschen Roten Kreuz und 18.000 beim Technischen Hilfswerk. Bei den Berufsfeuerwehren sind hingegen nur 9.000 Mitarbeiter beschäftigt - davon 120 Frauen. Für den Feuerschutz gaben die NRW-Kommunen 2012 rund 1,1 Milliarden Euro aus. Hinzu kamen 35 Millionen Euro staatliche Gelder.
Mit einer Werbekampagne von jährlich einer Million Euro versucht das Innenministerium, mehr freiwillige Helfer für Feuerwehren zu gewinnen. Dabei werden auch Frauen und Migranten gezielt angesprochen. Im Herbst will der Landtag ein Gesetz verabschieden, wonach das Eintrittsalter bei Jugendfeuerwehren von zehn auf sechs Jahre gesenkt wird. So will die "Freiwillige" in der Konkurrenz zu Sportvereinen und Musikschulen mithalten. Schäffer sprach sich dafür aus, die Kinderfeuerwehren auch stärker in den Ganztag der Schulen zu integrieren.
"Beim aktuellen Unwetter hat der Katastrophenschutz funktioniert", lobte die Grünen-Politikerin. "Es wird aber immer schwieriger, ausreichend Freiwillige für den Katastrophenschutz zu gewinnen." Weil Wissenschaftler vor zunehmenden Naturkatastrophen durch den Klimawandel warnten, bestehe dringender Handlungsbedarf. Auf einem Fachkongress mit dem Präsidenten des Bundesamtes für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe, Christoph Unger, wollen die Grünen am 27. Juni im Landtag neue Ansätze zur Sicherung der Freiwilligenhilfe bei Katastrophen erarbeiten.
erschienen in der NRZ am 12.06.2014; Übertragungsfehler vorbehalten